Über den Einfluss von Sandy Bridge auf die OC-Szene...

      Über den Einfluss von Sandy Bridge auf die OC-Szene...

      Der letzte Weltrekord der BenchBrothers, und damit auch das letzte Thema der Startseite, liegt bereits knapp eineinhalb Jahre zurück. Seither ist auf unserer Homepage sehr wenig - bzw. gar nichts öffentliches mehr - passiert. Weder gab es in dieser betreffenden Zeit nennenswerte Sessions von und mit uns, noch haben wir vorzeigbare Ergebnisse abgeliefert. Fast könnte man meinen, wir haben kein OC mehr betrieben. Das ist aber mitnichten so.

      Die OC-Welt war bereits beim Launch von Gulftown schwer zu bewerkstelligen. Sehr teure CPUs, die gern mal das Zeitliche segneten, gleichzeitig aber nur mit LN2 so richtig auf Touren kamen, waren eine harte Prüfung. Aber letztendlich hat es sich gelohnt, da wir aus sechs oder sieben CPUs zwei Exemplare selektieren konnten, die Potential gezeigt haben. Eine CPU sicherte uns den Sieg bei der 3. AOCM, die zweite CPU (dank ASUS im Tausch gegen einen unserer 980X zu uns gelangt) verhalf uns für 103 Tage zum Weltrekord im Aquamark3. Und seitdem?

      Seitdem war aus Performance-Sicht Sandy Bridge, vorgestellt im Januar 2011, das Maß der Dinge. Doch leider hat dieses "Maß der Dinge" einen gravierenden Haken: Man kann noch soviel Erfahrung und Können haben - wenn ein Sandy Bridge nicht will, dann will er nicht. Eine CPU, die nicht mit Multi 55 booten will, wird auch durch den besten Overclocker weltweit nicht zu einer brauchbaren CPU. Hinzu kommt die viel gescholtene Hardwall: Auch mit niedrigerem Multi, dafür aber mit höherem Baseclock kann das Limit nicht umschifft werden. Wenn also 55x100 nicht läuft, ist 54x102 ebenfalls beinahe ausgeschlossen. Die mickrige Übertaktbarkeit des Baseclocks ist zwar ebenfalls ein herber Rückschlag, ist jedoch weitaus unwichtiger als die Hardwall.

      Was ist also seit Sandy Bridge passiert?

      Auch wenn eine vordere Platzierung im hwbot bereits vor Sandy Bridge eine Herausforderung war, die mit einer gewissen Materialschlacht einherging, so wurde der Materialaufwand seit Sandy Bridge nochmals deutlich gesteigert. Wer nicht dutzende CPUs testen wollte oder konnte (soll es ja aufgrund der finanziellen Situation durchaus auch geben), der musste auf sein Glück hoffen, oder aber (was sehr wahrscheinlich war) in den Niederungen der OC-Ranglisten verschwinden. Wir haben seit SB etwa zwei Dutzend 2500K und 2600K getestet, wobei wir keinen Chip gefunden haben, der zuverlässig über 5,6 GHz arbeitet. Bereits das ist eine Zahl, die wir für absolut unberechtigt erachten. Wenn man dann von NickShih liest, der nach eigenen Angaben 300 Sandy Bridge getestet hat, um den ersten 6-GHz-Chip zu finden (von denen es knapp 15 Monate nach Launch vielleicht 5 oder 6 weltweit gibt), dann stellen wir uns ernsthaft die Frage, was das noch mit Übertakten zu tun hat.

      Als Normalsterblicher ist dieser Kraftakt ohnehin nicht zu stemmen. Allein die Zeit, die für das Austesten der Chips benötigt wird, entbehrt jeglichem gesunden Menschenverstand. Und dann der finanzielle Aufwand, der selbst bei einem rollierenden Vorgehen enorm ist, steht in keinerlei Relation mehr zum Erfolg. Und selbst mit 300 CPUs hat man bei SB noch keine Garantie, einen weltklasse Chip zu erhalten.

      Intel hat es mit Sandy Bridge also geschafft, die über Jahre gewachsene Erfahrung im Extrembereich ad absurdum zu führen. User mit unschätzbarem technischen Wissen (wie z.B. Hipro5) stehen SB chancenlos gegenüber und sind auf Gedeih und Verderb dem CPU-Glück ausgeliefert. Selbst wenn man mit Tricks und Kniffen noch 50 MHz mehr herausholt, kommt der nächste Normaluser um die Ecke, dessen CPU einen Multi mehr schafft und schon sieht man alt aus. Ist das Overclocking?! Das Overclocking, was diese Szene groß gemacht hat? Was früher durch Spaß gekennzeichnet war, Erfahrung voraussetzte und sichtbare Erfolge in Form von höheren Taktraten und besserer Performance hervorbrachte? Was uns alle erst bis hierher geführt hat?

      Wir hatten gehofft, dass Sandy Bridge E dieses gestörte Verhältnis wieder etwas gerader rückt. Doch weit gefehlt. Die grundsätzliche Situation ist nahezu unverändert, hinzu kommen unterschiedlichste Aspekte wie z.B. die Qualität des Speichercontrollers unter Kälte. Man muss fast noch mehr selektieren, bis man ein Exemplar erwischt, wo alles halbwegs passt. Auch wenn minimale und maximale Taktrate der CPUs nicht so weit auseinander liegen wie bei SB, so wird dieser Aspekt durch den höheren Preis der CPUs wieder relativiert. SB-E ist also keine Verbesserung.

      Qua vadis?

      Wir sehen uns mit einer Situation konfrontiert, in der wir beinahe hilflos mit ansehen müssen, wie sich eine komplette Szene in eine Richtung entwickelt, die weder zeitlich noch finanziell zu rechtfertigen ist. Verschlimmert wird die Situation noch durch die derzeit bei hwbot mit Punkten versehenen Benchmarks. Diese sind überwiegend, verursacht durch ihr Alter, CPU-limitiert. 3DMark01, 3DMark05, 3DMark06, Aquamark, SuperPI, PiFast sind ganz klar CPU-limitiert, 3DMark03 und 3DMark Vantage zeigen seit der GTX580 ähnliche Tendenzen und selbst 3DMark11 benötigt seit der HD 7970 eine starke CPU. Wer also keine starke CPU findet, der hat Pech. Punkt.

      Für uns ist das eine Situation, die wir nicht befürworten. Und wir sind nicht bereit, uns unsere Herangehensweise von dieser Problematik diktieren zu lassen. Wir haben nach etwa zwei Dutzend getesteten SB-CPUs aufgehört, bei SB-E war nach einem halben Dutzend Schluss. Wir werden nun auf Ivy Bridge warten - in der Hoffnung, dass sich hier etwas verbessert. Falls keine Besserung eintreten sollte, werden wir auch dort nach wenigen Tests die Reißleine ziehen.

      A Tribute to AwardFabrik

      Als wir unsere Einzelaccounts bei hwbot zusammenlegten und als eine Person ins hwbot-Team der AF wechselten, wurden wir mit offenen Armen empfangen und in ein hervorragendes Team integriert. Zu diesem Zeitpunkt belegten wir einen Top-10-Platz und steuerten einige Punkte bei. Doch leider wurde kurz nach unserer Eingliederung Revision 3 von hwbot mit geänderten Punktealgorhythmen eingeführt und wir stürzten in der Rangliste ab. Von dieser Veränderung hätten wir uns noch erholen können, mit Sandy Bridge ist das aber unmöglich geworden.

      Bei der Entwicklung des OC-Sektors tut es uns am meisten für das Team der AwardFabrik leid, da wir das in uns gesetzte Vertrauen und die Erwartungen nicht erfüllen können. Wir hoffen jedoch, dass es aufgrund unserer Ausführungen halbwegs verständlich erscheint, weshalb es in den letzten 15 Monaten hier so ruhig zugegangen ist. Wir sind nach wie vor daran interessiert, Spitzenergebnisse abzuliefern, sind jedoch nicht gewillt, die dafür notwendige Hardwareschlacht zu schlagen. Selbst dieses Statement hier fällt uns nicht leicht, da wir es nicht wahr haben wollen, wie sich unsere heißgeliebte OC-Szene entwickelt.

      Hoffen wir gemeinsam auf bessere Zeiten….
      Du sollst den Bench nicht vor dem Score loben! (copyright by masterchorch)